Die 110 155 ist nicht so einmalig oder außergewöhnlich, wie es hier dargestellt wird. Ich habe sogar Zweifel daran, dass hier eigens für Märklin ein "besonderes" Vorbild geschaffen wurde. So etwas hat es zwar gegeben, war aber durchweg jüngeren Datums und betraf eher Werbelokomotiven oder Spenden-/Aufarbeitungsaktionen für historisches Rollmaterial (z.B. die "Rheingold-18.4").
Fakt ist nach Literaturbelegen folgendes:
Ursprünglich war sowohl bei den Baureihen E 10 als auch E 40 das Dach oberhalb der durchlaufenden Dachrinne weißaluminium (RAL 9006) lackiert. Im Rahmen des Entfernen der umlaufenden Dachrinne (Bauartänderung; konkrete Verwaltungsnummer dazu weiß ich nicht auswendig) wurde die stahlblaue oder chromoxidgrüne Kastenfarbe bis über die Dachkante gezogen. Zunächst blieb im von unten unsichtbaren Bereich eine silberfarbene Fläche bestehen, später hielt auch hier Blau/Grün Einzug und nur die "Erhebungen" (Lüfter u.ä.) blieben abweichend lackiert, fortan aber in umbragrau.
Zumindest in der Theorie entfiel diese Differenzierung dann irgendwann auch und man sah die Wagenkastenfarbe fürs gesamte Dach vor. Dass es in der Praxis sehr wenige Lokomotiven gab, bei denen dies auch erkennbar umgesetzt wurde, liegt schlicht und einfach auch an den langen Zeiträumen bis zu einem Neuanstrich. Ein Unterhaltungsintervall beträgt acht Jahre (Regelabstand zwischen zwei HU), ein Neuanstrich wurde und wird nur im Rahmen einer Hauptuntersuchung oder Unfallausbesserung durchgeführt. Vorgesehen war, dass ein Neuanstrich mit jedem zweiten Unterhaltungsabschnitt erfolgt. Dies hat bei den alten Farbkonzepten auch sehr gut funktioniert, erst mit Orientrot wurde es zur Makulatur. Dass Rot wegen seiner groben/großen Pigmente die am wenigsten lichtbeständige Farbe ist, war und ist eigentlich bekannt. Das hat sie nicht davon abgehalten, sich im groß angelegten Praxisversuch von diesem Manko zu überzeugen.
Aus diesen Ausführungen lässt sich auch schließen, warum so viele Lokomotiven und Wagen noch bis Mitte der Achtziger (und teilweise darüber hinaus) nach altem Farbkonzept lackiert waren und das Orientrot hingegen so rasend schnell verschwunden war. Die ungeheure Lichtbeständigkeit ist auch ein Grund, warum nur sehr wenige elektrische Lokomotiven kobaltblau - torsten83 hat es anderer Stelle als "Freimannblau" bezeichnend - lackiert wurden: Das Stahlblau war noch gut und brauchte nicht ersetzt zu werden. Als sich das änderte, galt schon Blau-Beige oder gar die Produktfarben.
Mein Fazit:
Die 110 155 könnte, muss aber keinesfalls, explizit für Märklin angepasst worden sein. Mir erscheinen die Unterschiede im Vergleich zum Aufwand und den Kosten (Standzeiten der Lok, Grundreinigung, Lackierung ohne Pantographen/Dachleitungen) für zu gering, um hier tatsächlich einen Kaufanreiz zu liefern. Ich vermute hier eher eine weitere "Märklin-Legende". Wirklich außergewöhnlich an dieser Lok war für mich einfach die Kombination des komplett blauen Lokkastens in Verbindung mit dem ebenfalls nur sehr kurzlebigen, rot hinterlegten Bundesbahnkeks.
Holger