uwe hat geschrieben: Mi 11. Aug 2021, 15:51
Auch Lokführer haben Familie, und da gibt es sicher auch welche die jobtechnisch arg gebeutelt sind, und dann fehlt es auch am Familieneinkommen. Was mir aber hier mal wieder sehr auffällt, ist das hier einer Berufsgruppe (und in diesem Fall sind es zufällig gerade die Lokführer, andere Berufsgruppen kann man hier wahlweise einsetzen) das Recht für bessere Bezahlung und/oder Arbeitsbedingungen zu kämpfen abgesprochen wird. Oftmals passiert das durch dieselben Leute die für sich selbst in Anspruch nehmen das sie natürlich für hohe Lohnerhöhungen und Verbesserungen der Arbeitsbedingungen streiken dürfen. Im aktuellen Fall des Lokführerstreiks stellt sich mir die Frage so : "Mit welchem Recht lassen sich diese Leute ihre Bahnfahrkarte von den Bahnbediensteten bezahlen?"
Hallo Uwe,
welche Berufsgruppen streiken denn überhaupt spürbar?
- öffentlicher Dienst (Kindergarten gibt regelmäßig Aufschrei)
- Transport (Tram, Bus, Flugzeug, Bahn)
Ja und sonst so? Bei real hatte ver.di viel gestreikt, Erfolg: tausende verlieren ihren Job in der Zentrale und den aktuell noch rund 50 Märkten ohne Weiterbetrieb. In der freien Wirtschaft ist streiken einfach ungleich schwieriger und das hat nichts mit dem Organisationsgrad zu tun. In den halb-öffentlichen Betrieben sind sie halt weitgehend raus aus dem Druck der echten Wirtschaft, auch weil es weniger schnell Alternativen gibt. Als real bestreikt wurde, gab es im Umkreis eben immer noch (teils etliche) andere Supermärkte - sind die Kunden neue Wege gewohnt, kommen die nicht unbedingt zurück, auch weil real-Märkte oftmals ohnehin in die Jahre gekommen waren. Ein Kindergarten hat seine Kinder, ein Pendler hat seine Route - ist das Geld eh knapp, fährt man auch nach dem Streik wieder Bus/Tram/Bahn.
Doch welche DB Lokführer sollen arg gebeutelte Einschnitte gehabt haben? Die DB AG ist doch weiter gefahren durch die Pandemie und der Streik betrifft nur die DB AG, nicht FLIXTRAIN, der tatsächlich nicht fuhr - manche Lokführer konnten etwas von dem Überstundenberg abbauen, mehr oder minder wohl nur im Cargo-Bereich, wie ein befreundeter Lokführer mir erzählte, der selber Cargo fährt. Aber auch nicht viel, Lokführer fehlen ja immer noch, während Corona war das Manko nur weniger schlimm sagte er mir.
Und wo bezahlen Bahnbedienste denn bitte die Bahnfahrkarten der Reisenden? Das
Einstiegsgehalt der DB für Lokführer liegt bei 38.000 EUR - ohne Zulagen. Das Durchschnittseinkommen der Deutschen liegt bei 43.200 EUR (inklusive eben auch Top-Verdienern und auch schon inkl. Zulagen, die den Durschnitt nach oben bringen). Das Median-Einkommen habe ich nur für 2016 als neuestes gefunden, lag dort bei 19.380 EUR. Also da liegt die Grenze ab wo 50% der Erwerbstätigen mehr oder weniger verdienen, der ehrlichere Wert für eine Einordnung. Da ist Lokführer zum Glück deutlich drüber, sonst würden den Schichtdienst wohl auch noch weniger machen wollen.
Ich glaube, nicht wenige Reisende/Pendler fahren Bahn, weil sie sich nichts anderes leisten können, nicht weil sie sparen wollen. Bahnfahren ist in meinem Bekanntenkreis nur knapp über Linienbus angesiedelt, der niedrigsten Form der Fortbewegung und letztlich zahlen alle Deutschen Steuerzahler das System Bahn, ob sie es nutzen oder nicht. Ist ja nicht so, dass die DB AG in Deutschland sagenhafte Gewinne schreibt oder ÖPNV sich aus Ticketpreisen der Nutzer finanziert. Aber alle Deutschen Zahlen auch ein Straßennetz, das gehört eben zur Vorsorge des Staates dazu.
Angesichts der kleinen Forderung der GDL in Relation zum vorhersehbaren Streik, verstehe ich persönlich nur die Verhandlungsführer der DB nicht, auf diese Forderung eben nicht einzugehen. Die angebotene Steigerung ist ja zunächst vergleichbar, sie käme nur 8 Monate früher. Vielleicht wäre eine Einigung auf 6 Monate drin gewesen, Herr Weselsky sprach immer nur von einer Steigerung in 2021 - das sagt jetzt nicht zwingend was vom 01.04.
Auch der Corona-Bonus, als unfinanzierbar abgelehnt. Die DB hat 14.000 Lokführer x 600 EUR = 8,4 Mio. EUR Sonderzahlung (steht eigentlich ja nur GDL Mitgliedern zu) - die Summe der ausgezahlten Boni für Manager betragen ja immer noch 250 Mio. EUR, wenn 49% eingesparte Boni schon diesen Betrag ausweisen. Selbst wenn man als Größe alle GDL Mitglieder rechnen würde, betrüge die Einmalzahlung dann nur 22,2 Mio. EUR, aber die GDL hat auch unbekannt viele Mitglieder unter den "Privatbahnen", die Auszahlsumme dürfte also kleiner ausfallen.
Auf der Gegenseite: wie viel höher fällt nun das Betriebsdefizit für jeden einzelnen Streiktag alleine aus?
Mir scheinen hier die Kosten zu den Nutzen nicht wirklich abgewogenen zu sein. Die GDL fordert moderat, verursacht dafür nun einen relativ großen Schaden.
LG
Torsten