David Wardale: Der Rote Teufel und andere Geschichten aus dem Dampfzeitalter

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AvH

David Wardale: Der Rote Teufel und andere Geschichten aus dem Dampfzeitalter

Beitrag von AvH »

Im aktuellen Trainini 3/2023 ist das Grundnahrungsmittel Lesefutter dürftig dargeboten, nur Abgestandenes (ein antiquarisches Buch, dessen verbesserte Wiederauflage ebenfalls nur noch antiquarisch zu Mondpreisen erhältlich ist) und Wiederaufgewärmtes (eine unveränderte Neuauflage nach 30 Jahren, oblgeich vom gleichen Autor aktuelleres bei einem anderen Verlag erhältlich ist). Also schauen wir mal über den Tellerrand der üblichen, sponsorenden Verlage und stellen uns die Frage:

Wie war das damals, als die Dampflok ausgesondert wurde?


In der Besprechung des Baureihenbuchs zur BR 01 (Trainini 197, 12/21, S. 44) steht der bezeichnende Satz "Betriebswirtschaftliche Vernunft bestimmte also gewiss nicht bestimmend das Ende dieser Maschinen, eher das Streben nach Prestige und Modernität". Grund für mich hier auf folgendes Werk hinzuweisen.
wardale_red_devil_zfi.jpg
David Wardale
Der Rote Teufel und andere Geschichten aus dem Dampfzeitalter
Deutsche Übersetzung von Hans-Udo Drees

Rediroma-Verlag
Remscheid 2017

Broschiert
DIN-A 4
484 Seiten

ISBN 978-3-96103-129-0
Preis 43,95€

Erhältlich hier:
https://www.rediroma-verlag.de/buecher/ ... 6103-129-0
oder im Buchhandel

Was die Autoren des EK anhand von Berechnungen vermuten, kann Wardale anhand von eigenem Erleben berichten: Die Dampftraktion hatte seit den sechziger Jahren keine Chance mehr. Weniger aus technischen Gründen, denn aus mentalen und politischen.
Der junge Brite verlies seine Heimat und heuerte 1974 bei der South-African Railway (SAR) an, weil er dort noch mit und an Dampflokomotiven arbeiten konnte. Der Kohlereichtum Süd-Afrikas und die Ölkrise der siebziger Jahre liessen noch einmal Hoffnung aufkommen und ermöglichten es, daß Wardale - gegen Widerstände aus dem Apparat - die Chance bekam Dampfloks durch Umbau zu verbessern. Den Höhepunkt bildete dabei die class 26, die aus einer class 25, gebaut von Henschel, entstand: Eben der titelgebende "Red Devil", der eigentlich und offiziell nach dem "Lehrmeister" des Konstrukteurs als "L.D. Porta" benannt war. Es handelt sich dabei um die stärkste Kap-Spur Dampflok der Welt, die mit ihrer Maximalleistung von rund 3,5 MW heute wieder betriebsfähig ist. Wardale ging aus Süd-Afrika dann nach China und später in die USA, wo er seinen Traum einer Dampflok des 21. Jahrhunderts weiter verfolgte. Das sind dann die "anderen Geschichten aus dem Dampflokzeitalter". Heute lebt er im Unruhestand in Schottland.

Das mag erstmal genügen, um auf dieses Buch neugierig zu machen, auch wenn deutscher Eisenbahnbetrieb nur ganz am Rande vorkommt. Dennoch ist das Buch absolut lesenswert und im angelsächsischen Raum fast das Standardwerk für "modern steam", denn es beschreibt nicht nur die technischen Details, Methoden der Berechnung und Grundüberlegungen eines Konstrukteurs, sondern lässt die Rahmenbedingungen in Verwaltung und Werkstättenwesen nicht außen vor. So kann sich der Leser gut ein Bild davon machen, welche Aufgaben zu bewältigen sind und welche Hindernisse sich in den Weg stellen, wenn man versucht von konstruktiver Seite den Eisenbahnbetrieb zu verbessern. Auch wenn es Wardale kaum erwähnt, so sind einige dieser Dinge unabhängig von der Traktionsart. Wer mit dem Wissensstand der Jahrtausendwende über die Dampflok mitreden will, kommt nicht darum herum dieses Buch zu kennen.

Über den Autor: https://advanced-steam.org/5at/modern-s ... d-wardale/
Über dessen Tätigkeit nach Verfassen des Buches: https://advanced-steam.org/5at/5at-website/

Anmerkung zur deutschen Ausgabe. Der Übersetzer Hans-Udo Drees hat ganze Arbeit geleistet. Er hat viele Anmerkungen eingearbeitet, um dem deutschen Leser Zusatzinformationen zu erwähnten Lokbaureihen zu geben. An einigen Stellen zeigen seine Anmerkungen auch auf, daß er sich der Unterschiede des Englischen, wie es in unterschiedlichen Weltgegenden verwendet wird, bewusst ist und sie berücksichtigt hat. Ob er über eine technische Ausbildung verfügt, weiss ich nicht, aber sein offensichtliches Verständnis der manchmal für den Nichttechniker komplizierten Beschreibungen, legt die Annahme nahe. Offensichtlich ist in die Arbeit viel Herzblut geflossen. Ich kenne das englische Original nicht, aber allein aufgrund der Zusatzinformationen des Übersetzers hält sich mein Bedürfnis danach auch in engen Grenzen. Insgesamt ist die Publikaton eine runde Sache - der spannende Inhalt des Originals wird durch die Ergänzungen des Übersetzers zu einer wohlabgeschmeckten Speise des "Grundnahrungsmittels Buch" mit einem Inhaltsumfang, der beim EK wohl für zwei Bände gereicht hätte.
Es ist schade, daß nicht versucht wurde oder es nicht gelang, die Veröffentlichung bei einem einschlägigen, renommierten Verlag zu bewerkstelligen. Solche Verlage, wie der hier involvierte, sind ja ein wenig dubios, da sie die Autoren (in diesem Fall wohl den Übersetzer) für die Veröffentlichung bezahlen lassen. "Der Rote Teufel" ist eines der Beispiele, daß man sich davon nicht immer abschrecken lassen sollte.

Gruß Arnim
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