HELZ hat geschrieben: Di 18. Mai 2021, 12:34
Ich selber arbeite auch bei DB Regio Nord, jedoch in einem anderen Netz. Unser Verkehrsvertrag geht noch bis 2029. Trotzdem ist man schon jetzt immer mit einem unguten Gefühl unterwegs da man nicht weiß wie es dann aussieht. Muss ich meinen Arbeitgeber wechseln? Muss ich umziehen um bei meinen Arbeitgeber zu bleiben? Erwischt mich der Sozialplan?
An einen Hauskauf/bau ist als Lokführer einfach nicht mehr zudenken.
Wohnortwechsel, zieht die Familie mit um?
Planugssicherheit? Was ist das!
Hallo Tobias,
diese Bedenken betreffen nicht nur Lokführer und Bahn-Mitarbeiter, sie sind in der deutschen Wirtschaft in der Regel stärker geläufig. Ein sicherer Arbeitsplatz, dass ist letztlich nur noch das Beamtentum, das war die Bundesbahn mal - wo auch viele Strecken eingestellt wurden, also auch immer ein Umbruch von "Teams" stattgefunden haben muss. Das Team der Eisenbahner wird besonders bei Streiks doch immer wieder gehört oder verschafft sich Gehör - da wurde die letzten Jahre doch vieles bewirkt. Es gibt Betriebsübergänge auf neue Betreiber, ein Luxus von dem viele in anderen Branchen nur träumen können. Ich konnte bisher nirgends lesen, dass die Besitzstandswahrung zu echten Gehaltsverlusten geführt hätte.
Ein Beispiel aus der echten Wirtschaft, wo es aktuell auch um Betriebsübergänge geht:
Angestellte von real zittern schon seit Jahren um ihre Jobs und real wird im Sommer 2022 nun definitiv verschwinden - viele Mitarbeiter bekommen eine Weiterbeschäftigung bei den Käufern der übernommenen Märkte (Kaufland, Edeka und weitere). Angestellte der Verwaltung verlieren hingegen komplett ihren Job (morgen wird der Sozialplan dazu verkündet). Angestellte in Märkten, die keinen Käufer zum Weiterbetrieb gefunden haben, verlieren ebenfalls ihren Job - oftmals aus dem Pech heraus, dass die zusammengekaufte real (ehemals allkauf, massa, divi, real-kauf und etliche weitere) auch zahlreiche Doppelstandorte hatte und man nun blöderweise im schlechteren davon arbeitet. Bei einem Arbeitgeber, der also über Jahrzehnte in Deutschland mit hunderten Standorten vertreten war und immerhin noch mehr oder weniger Tarifgebunden war, mit einer starken Gewerkschaft, die mit Streiks auf sich aufmerksam machen wollte (Bedienungstheken waren teils mehrere Wochen dicht), die damit womöglich aber letztlich nur die Zerschlagung beschleunigt hat. Auch da hat man keine Sicherheit, dass das ewig so weiter geht - selbst ohne eine Insolvenz.
Und auch an übernommenen Standorten geht das Zittern der Angestellten noch weiter, wo die Käufer das Gebäude der real-Märkte nämlich abreißen und einen gänzlich neuen Markt errichten oder über 6 Monate für den Umbau brauchen, sind diese Angestellten der Märkte auch nach teils 3-4 Jahrzehnten ihren Job los, obwohl an der Stelle auch wieder ein Supermarkt aufmachen wird. Hierfür wird einfach der Markt lange genug für einen Umbau geschlossen gehalten. Da macht auch eine Edeka aktuell in Bremen mit, verschiebt die 100 Angestellten nicht auf andere Standorte - die können sich dort bewerben (als ob eine Edeka nicht genug Gewinn erwirtschaftet, um die Angestellten so lange woanders zu parken). Auch diese Mitarbeiter bei real (und vielen Einzelhändlern) haben in der Corona-Zeit voll durch gearbeitet, was keine besondere Leistung von ausschließlich Bahn-Mitarbeitern ist.
Im Umkehrschluss, haben Bahner in Streikzeiten ja aber auch bewusst in Kauf genommen, das es nicht so gut läuft für die, die auf die Bahn beruflich als Transportmittel angewiesen sind. Ein Streik muss weh tun, möglichst ja dem Arbeitgeber. Sinniger wäre es daher einfach nur die Ticket-Kontrollen im Zug zu unterlassen, was die darauf angewiesenen Beförderungsfälle nicht behindert zur Arbeit (und damit Einkommen) zu kommen, gleichzeitig aber die Einnahmenseite der Verkehrsunternehmen deutlich schwächen würde. Stattdessen werden aber eigentlich nur die Beförderungsfälle bestraft, das größere Defizit gleicht ohnehin der Bund aus.
Ich kenne auch keinen, der sich freute wegen Corona in Kurzarbeit zu Hause zu sitzen (mit im Normalfall erheblich weniger Geld) und sich Gedanken machen zu müssen, ob es seinen Job nach Corona noch weiter gibt. Was ich kenne, das sind die Sorgen derjenigen, die wegen Corona auf einmal auch überhaupt nicht mehr arbeiten durften (Kellner in einer reinen Bierkneipe zum Beispiel, da ist auch nichts mit Take-Away). 100% Kurzarbeit, in einem Beruf, wo du eh schon auf Trinkgeld finanziell auch angewiesen bist. Wo die Frage, ob der Arbeitgeber überhaupt diese Zeiten überstehen wird, sehr echt ist. Die DB AG fuhr weiter, weil sie weiter fahren sollte und das große Defizit übernimmt auch der Steuerzahler.
Haben es Bahnangestellte da im Vergleich nun wirklich so viel schlimmer und noch eine weitere Sonderbehandlung nötig? Jeder träumt doch von Sicherheit. Viel mehr Sicherheit als im System Bahn gibt es nicht in der freien Wirtschaft, ich kenne zumindest kein Beispiel.
Also ja: man kann immer noch mehr fordern und noch lauter jammern, aber in dem Falle ist es einfach jammern auf schon hohem Niveau.
LG
Torsten